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Verdingkinder – Ein schwieriges Kapitel unserer Geschichte

Bis in die 1970er-Jahre wurden Zwangsmassnahmen verfügt.

Mädchen und Buben wurden als «Verdingkinder» fremdplatziert.

Allein im Kanton Bern leben mehr als 2000 ehemalige Heim- und Vedingkinder, Zwangsadoptierte, administrativ Versorgte, Psychiatrieopfer und Kinder von Fahrenden. Zehntausende von früheren Betroffenen haben ihr Leiden buchstäblich mit ins Grab genommen.
  Armut im bäuerlichen Kanton Bern: Der Kanton Bern als landwirtschaftlich geprägter Kanton war davon besonders betroffen. Arme, kinderreiche Familien in prekären Verhältnissen gaben einen Teil ihrer Kinder weg. Fürsorgebehörden platzierten sie auf Bauernhöfen, wo man helfende Hände gut gebrauchen konnte. Aus Sicht der Vormundschaftsbehörden und der Bauernfamilien, die Verdingkinder aufnahmen, war es eine Win-Win-Situation. Nicht so für die Minderjährigen. Sie wurden als billige Arbeitskräfte ausgebeutet und mussten sehr oft auf Familienanschluss und elterliche Wärme verzichten.
  Im Bauernspiegel von 1937 beschreibt Jeremias Gotthelf auf eindringliche Weise, wie Knaben und Mädchen feilgeboten wurden: «Es war fast wie an einem Markttag. Man ging herum, betrachtete die Kinder von oben bis unten, die weinend oder verblüfft dastanden, betrachtete ihre Bündelchen und öffnete sie wohl auch und betastete die Kleidchen Stück für Stück, fragte nach pries an gerade wie an einem Markt».
  Es gab Familien, die diese fremden Kinder korrekt und menschlich behandelten. Die Mehrheit der verdingten und fremdplatzierten Mädchen und Knaben wurde jedoch nachhaltig traumatisiert. Das erfahrene Unrecht lastet wie eine Hypothek auf ihrem Leben.

  Kirchliche Repräsentanten schauten weg: Nicht nur staatliche Stellen, auch kirchliche Amtsträger waren in die Platzierung von «Verdingkindern» involviert, gehörten doch Pfarrherren oft der örtlichen Vormundschaftsbehörde an. Es ist aus heutiger Sicht unverständlich, dass Pfarrer diese Kinder nicht mehr in Schutz nahmen und sie als Ebenbilder Gottes, als gleichwertige Menschen behandelten. Umso wichtiger ist es, dass sich die Kirche dieser schmerzlichen Wahrheit stellt und ihre Verantwortung wahrnimmt.
  
  Wir bedanken uns bei Pfarrer Andreas Zeller, dass er für unsere Kirchgemeinde den Pfingsten-Gottesdienst vom 25. Mai 2023 unter dieses Thema gestellt hat. Er erzählte eindrücklich die Geschichte eines Betroffenen und wies eindringlich darauf hin, dass das Zeichen der Erinnerung gleichzeitig ein Zeichen nach vorne ist, damit sich solches Unrecht nie wieder ereignet.

 

Ursula Aeschlimann,
mit Material von Andreas Zeller und der Refbejuso

 

 

Weitere Informationen: https://zeichen-der-erinnerung-bern.ch/

 

 

 

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